Definition NS-Raubgut
Verfolgungsbedingter Entzug bedeutet, dass der oder die Vorbesitzer:in des Buches zum Kreis der Verfolgten gehört hat. Dazu gehören Personen, die aus rassistischen, religiösen oder politischen Gründen verfolgt wurden, aber auch deren Vereine bzw. Körperschaften, die dann aufgelöst wurden.
Eine weitere Bedingung ist, dass das Buch zwischen dem 30. Januar 1933 und 8. Mai 1945 vom dem oder der Eigentümer:in veräußert wurde. Es geht also nicht nur um von Verfolgungsbehörden direkt beschlagnahmte Bücher, sondern auch um Zwangsverkäufe, meist deutlich unter dem eigentlichen Wert, z. B. an Antiquariate.
Politischer Hintergrund
Ein wichtiger Impuls zur Provenienzforschung in Deutschland ging 1998 von einer Konferenz in Washington über Vermögenswerte aus der Zeit des Holocaust aus. Die Teilnehmenden forderten, dass deutsche Kultureinrichtungen nach NS-Raubgut in ihren Beständen suchen und es an die früheren Besitzer:innen bzw. Erb:innen oder Rechtsnachfolgende zurückgeben sollten. Dies war Gegenstand der dort verabschiedeten Washingtoner Prinzipien. Zu deren Umsetzung formulierten die deutsche Bundesregierung, die Länder und Kommunen 1999 eine gemeinsame . Dies schloss Bibliotheken neben Museen prinzipiell mit ein. Im Laufe der Zeit haben viele Bibliotheken mit der Forschung nach NS-Raubgut begonnen. Einige Projekte sind abgeschlossen, andere werden derzeit, wie von der TU Darmstadt, neu beantragt. „Erklärung zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz“
Forschungsprojekt an der ULB Darmstadt
In diesem Projekt wird der Zugang in der Erwerbung nach 1945 untersucht. Auch in der Nachkriegszeit sind Bücher von Verfolgten in die Bestände der ULB gelangt, insbesondere vermittelt über Antiquariate, Privatpersonen oder Sammelstellen der Alliierten. Das wird als „sekundäres Raubgut“ bezeichnet.
Dass die NS-Zeit nicht in den Mittelpunkt der Untersuchung gestellt wird, ist in der Bestandsgeschichte der ULB begründet. Die frühere Landesbibliothek hatte erhebliche Verluste durch einen Bombenangriff am 11. September 1944 erlitten und versuchte, die entstandenen Lücken durch kostengünstige Erwerbungen in der Nachkriegszeit wieder zu füllen. Wie Stichproben zeigten, gelangten dabei große Mengen von NS-Raubgut in die Bibliothek. Von den vor 1945 erworbenen Raubgut-Büchern ist dagegen anzunehmen, dass die meisten beim Bombenangriff vernichtet wurden. Eine Ausnahme bildet damals sekretierte verbotene Literatur, die erhalten geblieben und damit Teil der Untersuchung ist.
Basis des Forschungsprojektes ist der Bestand der früheren Landesbibliothek, der nach der Zerstörung 1945-1949 neu formiert wurde. Das betrifft die als Numerus Currens aufgestellten Signaturgruppen 45/ bis 47/ und 49/, insgesamt ca. 40.000 Bände. Es wird direkt am Regal Einsicht in die Bücher (Methode der Autopsie) genommen und nach Provenienzmerkmalen der Vorbesitzer:innen wie Exlibris, Stempeln und Ähnlichem gesucht. Weitere Quellen sind Zugangsbücher der Bibliothek, die Angaben zu Lieferanten enthalten – nicht immer zuverlässig – sowie Archivquellen und einschlägige Datenbanken.
Ziele des Projekts
- Systematische Identifizierung von NS-Raubgutbüchern
- Dokumentation der Provenienzen im Bibliothekskatalog und in einschlägigen Datenbanken
- Vorbereitung des Abschlusses von Restitutionen oder anderen „gerechten und fairen Lösungen“ (Washingtoner Prinzipien) mit Erb:innen bzw. Rechtsnachfolgenden
Mit den Objektbiografien der Bücher werden auch die Biografien der Menschen hinter den Büchern, ihre Verfolgungsschicksale, rekonstruiert und dokumentiert.
Die geben einen Überblick über die ermittelten Personen und Institutionen. Provenienzlisten